Nach vier Radtouren in Neuseeland kam nun endlich auch mal Australien dran. Bisher hatte ich Neuseeland aus vielerlei Gründen vorgezogen. Vor allem Australiens giftige und gefährliche Tierwelt, aber auch die ungeheuren Entfernungen und die grosse Hitze hielten mich bisher davon ab. Irgendwann war die Neugier dann aber doch so gross, dass ich beschloss, all diesen Widrigkeiten zum Trotz meine nächste Radtour in Australien zu unternehmen.
Nun ja, im November ein Ticket nach Down Under für Anfang Januar zu finden, ist eine echte Herausforderung. Die meisten Flüge und die besten Preise gibt es nach Sydney. Zu meiner Überraschung bot Austrian Airlines nicht nur verfügbare Plätze und Fahrradmitnahme für 120 Euro retour, sondern auch den günstigsten Flug Frankfurt - Sydney zur Hauptreisezeit - ein Angebot, dass ich nicht ausschlagen konnte. Inzwischen hat Austrian Airlines diese Route leider eingestellt.
Fast wäre mir das Umsteigen in Wien zum Verhängnis geworden. Der Flughafen ist im Winter als Nebelloch bekannt, aus exakt diesem Grund durfte die Zubringermaschine aus Frankfurt erst mit grosser Verspätung starten, eigentlich zu spät, um den Anschluss in Wien noch zu schaffen. Ob die Maschine in Wien noch auf uns wartet, darüber war leider weder in Frankfurt noch während des Fluges irgend etwas in Erfahrung zu bringen. Bei der Ankunft konnte ich sehen, dass die Boeing 777 noch am Terminal stand, und so stürmte ich durch die riesige Flughafenhalle von einem Ende zum anderen. Am Gate wurde ich tatsächlich erwartet - erst in diesem Moment wusste ich, dass es noch klappt. Ob mein Gepäck, insbesondere mein Rad, auch noch rechtzeitig in den Flieger kamen, blieb bis zur Ankunft in Sydney offen.
Austrian mühte sich redlich, es war auch ein recht angenehmer Flug, obwohl die Bestuhlung dieser modernen 777 mehr an Sardinenbüchse erinnerte als in so mancher betagten Maschine. Immerhin war es eine der schnellsten Verbindungen nach Australien mit nur kurzem Zwischenstop in Kuala Lumpur. Mit einem grandiosen Überflug über das Red Center, genau über Ayers Rock, den Blue Mountains sowie Sydney Downtown im Landeanflug - und traumhaftem Blick auf Harbour Bridge und Opera House - hatten sich die Strapazen des langen Fluges bereits gelohnt.
Gepäckausgabe, Spannung steigt - dort steht das Rad, hier rollen die Fahrradtaschen ein, grosse Erleichterung. Die Einreiseformalitäten sind etwas anders als in Neuseeland: für Australien benötigt man ein Visum (!), dass man aber problemlos über das Internet als ETA (Electronic Travel Authority) erhält. Gepäckkontrolle, Spannung steigt weiter, denn ich hatte, wie bei meinen Neuseeland-Reisen, einiges an Trockenfutter dabei. Dies ist bei der Einreise nach Australien nicht erlaubt. Ich habe es also brav deklariert - und ab ging's auf die rote Linie: Inspektion. Der Officer war sehr freundlich, wollte die Sachen nur anschauen, und schwärmte zusammen mit mir über Neuseeland, bevor er mich lachend inkl. Trockenfutter in die Freiheit entliess. Diesen Eindruck bekam ich immer wieder: die Australier sind wirklich sehr freundliche Menschen.
Interessanterweise gibt es zu dieser Tour fast keine Radreiseberichte. Lediglich Mike Vermeulen hat den Teil der Strecke in Victoria befahren, ist bei Cann River dann aber ins Inland Richtung Canberra abgebogen. Aus diesem Grund habe ich mich entschlossen, meinen Bericht zu der gar nicht so aufregend klingenden Tour zu schreiben. Die Beschreibungen der einzelnen Etappen sind auf den entsprechenden Seiten zu finden.
In Sydney hatte ich vor allem Probleme mit der Orientierung. Gepaart mit Jetlag wurde die Campingplatzsuche am ersten Abend ein ziemliches Desaster. Sicherlich hat Sydney eine erstklassige Palette an Highlights zu bieten, aber als Radler sollte man nicht vergessen: es ist eine Weltstadt mit riesigen Ausmassen und erheblichem Andrang. Ausserhalb des Zentrums ist der grösste Teil einfach nur bebaut, ohne Charakter und besondere Ausstrahlung, und von einem verwirrenden Netz aus vierspurigen Strassen durchzogen, die zum radeln entschieden zu stark befahren und für den Nicht-Einheimischen entschieden zu schlecht beschildert sind.
Ganz anders dagegen Melbourne. Nach der nächtlichen Zugfahrt von Sydney war ich trotz des Empfangs im Regen positiv überrascht von dem eher lässigen Flair der Großstadt. Und auch die Orientierung fiel mir leichter. Wenn man die Waterfront erreicht hat, kann man sich einen guten Überblick verschaffen und hat zudem für diverse Kilometer den Luxus eines Radweges unter den Pedalen. Und so startete ich meine erste Etappe nach Frankston. Hinter dem Ort erreicht man auf der Anhöhe bald den Campinglatz und hat damit den geschlossen bebauten Bereich des Grossraums Melbourne hinter sich gelassen.
Dieser Unterschied zwischen dem hektischen Sydney und dem eher entspannten Melbourne spiegelte sich auf der gesamten Tour auch zwischen New South Wales und Victoria wider.
Meine Tour kam nun ins Rollen, per Boot ging es hinüber nach Phillip Island, danach folgten bei Wonthaggi die ersten Hügel, und auf den langen Geraden zwischen Yarram, Sale und Bairnsdale fühlte ich mich fast schon wie im Outback. Auch frisch ausgebrannte Eukalyptus-Wälder gab es hier zu sehen. Insgesamt war es in Victoria aber sehr ruhig und entspannt. Auf der Route von Orbost über Cann River nach Eden und Merimbula wird es dann sehr hügelig. Man kann im übrigen ziemlich sicher davon ausgehen, in jedem grösseren Ort einen Campingplatz zu finden, auch wenn diese im Campingverzeichnis nicht immer aufgelistet sind.
Nach dem Erreichen von New South Wales ereilte mich auf dem Weg nach Eden ein leichter Schwächeanfall. Ohne Lebensmittelvorräte, bei über 40 Grad auf heissem Asphalt, nur mit einer Wasserflasche mit ebenso warmem Inhalt ausgestattet, hatte ich zum erstenmal überhaupt das Gefühl, gleich umzukippen, wenn ich nicht sofort anhalte. Die letzten Flocken meines Müslis haben mich dann soweit wieder aufgepäppelt, dass ich das nächste Roadhouse erreichte.
Die Küstenstrecke in New South Wales hält, was sie verspricht. Schöne Buchten und traumhafte Strände in grosser Anzahl sind direkt erreichbar, und im Inland sieht man das Grüne Australien, keine Spur von Outback. Besonders angetan hat es mir Merimbula mit seiner riesengrossen Lagune. Beim Radeln muss man sich auf viel Auf und Ab einstellen, gerade im südlichen Abschnitt finden sich viele kurze, aber steile Anstiege. Auch muss man sich auf eine aggressivere Fahrweise der Autofahrer einstellen, als man sie in Victoria antrifft. Besonders drastisch war der Vorfall, als ich von einer geöffneten vollen Wasserflasche am Arm getroffen wurde, die mir offenbar aus einem mich überholenden Auto entgegengeschleudert wurde - das hätte in der langen Schlange, die mich gerade passierte, auch böse enden können.
Die letzte Etappe von Wollongong nach Sydney war dann der Höhepunkt der Tour, sowohl landschaftlich als auch vom Schwierigkeitsgrad. Die Blue Mountains treffen hier unmittelbar auf die Küste, was der Radler in einem brutalen Anstieg hinter Stanwell Park nachvollzieht: es geht bis ganz oben hinauf. Dafür bieten sich auf dem gesamten Streckenabschnitt atemberaubende Ausblicke. Auf der nachfolgenden Fahrt durch den Royal National Park nach Bundeena sollte man ausreichend Verpflegung mitnehmen, die Strecke zieht sich und beinhaltet nochmals mehrere lange Anstiege. Am Ende geht es durch sehr trockenes und schattenloses Buschland, was in der prallen Sonne sehr kräftezehrend ist. In Bundeena kann man mit der Fähre nach Sydney übersetzen. Dort habe ich im Gewimmel der 4spurigen Strassen prompt wieder die Orientierung verloren. Mit Hilfe der Einheimischen fand ich aber schliesslich zu meinem Ausgangspunkt in der Botany Bay zurück.
Das Fazit dieser Tour: durchaus reizvoll, aber zu dieser Jahreszeit für mich zu heiss - obwohl ich in der eher temperierten Zone unterwegs war. Ausserdem herrschte in New South Wales und besonders in Sydney zuviel Verkehr, und teuer ist es auch. Unweigerlich kommt der Vergleich mit Neuseeland auf, daran kommt Australien in meinen Augen nicht heran. Australien ist ein sehr rauher Kontinent, man muss sich darauf einstellen, ausserhalb seiner Komfortzone zu radeln. Lange, teils eintönige und in der Hitze auszehrende Streckenabschnitte sind häufig anzutreffen, besonders wenn man auch das Hinterland erkunden möchte. Aber dafür gibt es immer neue Routen zu entdecken, dafür sorgt allein schon die Grösse dieses Kontinents.
Meine zweite Reise nach Australien fand ohne Fahrrad statt. Zelt und Schlafsack trug ich zur Abwechslung auf dem Rücken. Ich nutzte die Gunst der damals noch bestehenden Verbindung mit der Royal Brunei von Frankfurt via Brunei nach Sydney. In der für die Ultralangstrecke vergleichsweise kleinen 767 war der Flug sehr angenehm. Das einzig störende waren die wegen der Zwischenlandung in Bangkok offenbar unvermeidbaren "Ballermann"-Touristen - meine lieben Landsleute. In Sydney entschied ich mich diesmal für den zweiten Campingplatz am Lane Cove Drive. Er ist zwar wesentlich weiter vom Flughafen entfernt und nur in Kombination von Cityrail und Bus zu erreichen. Dafür ist er aber viel größer und liegt in einer grünen Oase der Stadt. Mit Rucksack war das gut zu erreichen, mit Rad und Gepäck wäre es direkt nach dem langen Flug schwieriger gewesen.
In Sydney besuchte ich zuerst den Taronga Zoo, es stellte sich als großartige Idee heraus. Ich hatte riesiges Vergnügen daran, die vielen Känguruhs, Wallabies und Koalas zu beobachten. Aber auch viele in Australien nicht heimische Arten findet man dort vor, die Elefantenrüssel und Giraffenhälse sind am auffälligsten davon. Am meisten beeindruckte mich die Greifvogel-Show im Amphitheater des Zoos, und das nicht nur wegen des phantastischen Blicks auf Harbour Bridge und Opera House. Danach zog es mich in den Olympia Park, der mich aber eher enttäuschte. Generell bestätigte sich mein Eindruck aus der vorangegangenen Australien-Reise: Sydney ist, abgesehen von den bekannten Sehenswürdigkeiten, in der Fläche nicht besonders schön, dafür aber ziemlich hektisch.
Zwei Tage Sydney waren genug, dann ging es weiter in die Blue Mountains. Die Anreise per Vorortzug von Sydney kann bequemer nicht sein. Nach etwa zwei Stunden Zugfahrt hat man Katoomba erreicht und damit das Hochplateau erklommen. Wer die Steigung nicht scheut, kann die Strecke auch per Rad von Sydney bewältigen (106 km, von 0 auf gut 1000 m Meereshöhe). Es gibt mehrere Campingplätze auf der Höhe, ich quartierte mich im Camp von Blackheath ein. Die dortigen Aussichtspunkte über der Abbruchkante der Blue Mountains bescherten zu dieser Zeit eher einen traurigen Anblick. Die Vegetation war durch weitflächige Waldbrände sehr in Mitleidenschaft gezogen. Der Geruch nach verkohltem Holz machte mir sofort klar, dass diese Ereignisse noch nicht lange zurückliegen konnten.